Donnerstag, 15. August 2013

Review: Gone Home



von Tony Menzel

Plattform: PC, Steam
Release: 2013
Entwickler: The Fullbright Company


Gone Home ist ein Projekt von vier Entwicklern, die zuvor bei 2K Games arbeiteten und vor allem das hochgelobte Bioshock 2 DLC Minervas Den entwickelt haben, das selbst nach Bioshock Infinite von vielen als beste Geschichte genannt wird, die je im Bioshock Universum stattgefunden hat. Gemeinsam verließen sie 2K und gründeten The Fullbright Company, um Gone Home ins Leben zu rufen. Dass man früher oder später Parallelen zu Minervas Den ziehen können wird ist kein Zufall, war doch einer der Fullbright Co-Gründer, Steve Gaynor, höchstpersönlich für die Story der Bioshock Erweiterung verantwortlich. Meine Erwartungen waren also entsprechend hoch (wie ihr hier nachlesen und in vielen Ohrenschmaus Podcasts hören könnt).


Die Wilden 90er

Die Geschichte ist ganz klar das führende Element von Gone Home. Sie ist es, die euch durch das Spiel trägt, euch zum Nachdenken anregt und viele Fragen aufwirft, die ihr mit eurem eigenen Erkundungsgeist zu beantworten sucht. Nach Aussage der Entwickler wählte man hier den Zeitraum 1995, als das letzte Jahr, in dem die Technologie noch nicht soweit war, die Kommunikation zu einem großen Teil digital zu machen.
Der Spieler schlüpft in die Rolle von Katlin Greenbriar, die nach einem Jahr Auslandsstudium nach Hause zurückkehrt, im Glauben, dort von ihrer Familie empfangen zu werden. Stattdessen findet sie sich zwar in ihrem alten Haus wieder, doch von den Verwandten fehlt jede Spur. Die Fernseher laufen noch, die Türen stehen halb hoffen, in einigen Zimmern brennt sogar noch Licht. Was ist hier vorgefallen?


Alle unter einem Dach

Das herauszufinden liegt nun in der Hand des Spielers. Dass ein einzelnes Familienhaus als Setting für ein ganzes Spiel ausreichen kann, bewies schon (ein Jahr nach den Geschehnissen in Gone Home) der Horrorklassiker Resident Evil, dessen Umgebungen nicht annähernd so detailliert waren, wie es hier der Fall ist. Um genau zu sein: ich kenne kein Spiel, das einen ähnlich hohen Detailgrad erreicht, wie der in Gone Home. Jedes einzelne Zimmer ist liebevoll gestaltet, enthält viele kleine Geheimnisse und wirkt alles in allem einfach nur realistisch. Anders kann man es nicht beschreiben. Ein Großteil der herumliegenden Objekte kann aufgehoben und nach Belieben gedreht, gewendet, untersucht werden. Einige bergen Geheimnisse, andere sind einfach nur da um da zu sein. So viele Dinge in diesem Haus sind interaktiv, dass ihr euch dabei ertappen werdet, wie ihr gerne mal 20 Minuten in einem Zimmer verbringt und es selbst dann noch mit dem Gefühl verlasst, irgendetwas übersehen zu haben.
Hier zeigt Gone Home seine größte Stärke:  obwohl das Voranschreiten so spannend und mysteriös ist, wirkt die Umgebung keinesfalls gestellt oder extra auf ein Rätsel ausgerichtet. Sie sieht genau so aus, wie ein Familienhaus auszusehen hat.


Wunderbare Jahre

Die eigentliche Geschichte wird in drei wesentlichen Elementen erzählt: durch Dokumente, durch die Stimme von Katlins Schwester (wir erinnern uns an die Bioshock Audiologs)  und durch die Umgebung selbst. Da das Spiel komplett auf Englisch ist, sind hier gewisse Sprachkenntnisse erforderlich. Die Entwickler haben allerdings das Erstellen von Fan-Übersetzungen erleichtert, die vielleicht bald folgen werden.
Die Geschehnisse, die hier stattgefunden haben, konzentrieren sich zwar auf die gesamte Familie, jedoch mit einem großen Fokus auf Katys Schwester, die mit dem Leben eines Teenagers Mitte der 90er zu kämpfen hat. Ihr Schicksal ist es, das euer Hauptmotivator sein wird, in dieser Geschichte vorwärts zu kommen.
Die Briefe, Schriftstücke, Notizen, Rechnungen, Bücher, Zeichnungen usw. sind zahlreich. Sie zu lesen ist zwar stets optional, aber doch empfohlen, um die ganze Bandbreite der Ereignisse erfassen zu können und die Figuren besser zu verstehen. Auch Katy ist hier nicht ganz passiv: bewegt ihr den Cursor über ein Objekt, könnt ihr häufig ihren Kommentar dazu lesen.


Eine schrecklich nette? Familie

Da ich vorhin noch bei Resident Evil war, möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass mich schon lange kein Spiel mehr so gegruselt hat, wie Gone Home. Aber ist es denn ein Horror-Spiel? Schwer zu sagen. Und doch bewegt ihr euch durch ein düsteres Haus, während draußen ein Gewitter tobt und Regen gegen die Scheiben klatscht. Nichts kann die Erleichterung beschreiben, die ich mit jeder einzelnen Lampe verspüre, die ich im Haus einschalte. Gone Home ist der beste Beweis dafür, dass realistische Umgebungen tausendmal gruseliger sind, als jede Horror-Fantasy-Welt. Ihr werdet euch zwei, drei, zehn Mal überlegen, ob ihr wirklich um die nächste Ecke gehen, oder die nächste Tür öffnen wollt.


(Mir fallen keine TV Serien mehr ein...)

Gott sei Dank ist das Haus auch voll von Musik. Oft habe ich diese nur abgespielt, um das Knarzen der Bretter und andere unheimliche Geräusche zu vertreiben. Auch die Musikauswahl passt perfekt ins Setting. Sie erinnert an Garagenrock und die Riot Grrrl Bewegung der 90er. In vielen Räumen findet ihr Kassetten und Abspielgeräte (Kassettenrekorder, Diktiergeräte und dergleichen), die ihr beliebig oft benutzen könnt. Die Musik hat auch ihren Anteil in der Geschichte, nichts ist dem Zufall überlassen. In den Zimmern der Eltern findet ihr dann doch etwas Abwechslung mit ruhiger Musik, in Form eines Plattenspielers.


Liebe das Detail

Auch sonst haben die Entwickler so viel Liebe in dieses Haus gesteckt. Es birgt Geheimnisse (und Geheimgänge), eine Vielzahl indirekter Informationen und vor allem einen großen Teil der Persönlichkeit seiner Entwickler. Das Haus schwillt geradezu an vor Nostalgie. In der einen Ecke ein Super Nintendo mit passender Spielesammlung, in der nächsten eine Auswahl an Büchern, Videokassetten (hier wohnen große Akte X Fans), Musikmagazinen und so vieles mehr. Noch nie zuvor in einem Spiel fühlte sich eine Umgebung so echt an.

Zuletzt noch ein paar Worte zur Technik. Die Steuerung ist einfach und intuitiv. Ihr könnt natürlich mit Tastatur und Maus spielen oder auch mit dem Xbox360 Controller. In diesem Fall bewegt ihr euch wie gewohnt mit einem Stick vorwärts, mit dem anderen schaut ihr euch um. Die hintere linke Schultertaste dient zum Untersuchen von Umgebungen und Objekten. Bewegt ihr den Cursor über ein wichtiges Objekt, über eine Tür, einen Lichtschalter oder ähnliches, wird er automatisch langsamer, um genaueres "Zielen" zu ermöglichen. Die Grafik setzt keine neuen Maßstäbe, kann sich aber sehen lassen. Das Licht ist euer bester Freund und wird immer geschickt eingesetzt. Bevor man das Spiel startet, hat man einige Möglichkeiten, sein eigenes Erlebnis anzupassen. So kann man wählen, dass alle Lichter im Haus bereits eingeschaltet und alle Türen unverschlossen sind. Aber wer würde das beim ersten Durchlauf schon wollen?
Besonders hervorheben möchte ich das Sound Design. Ein altes Haus hat eine unerwartet große Vielfalt an unheimlichen Geräuschen zu bieten, wie ihr bald lernen werdet...


Fazit: Ich müsste lange nachdenken, um negative Eigenschaften in Gone Home zu finden und selbst dann würde mir vermutlich nichts einfallen. Das was es tut, macht es geradezu perfekt. Dass es dennoch nicht jedem gefallen wird ist auch klar, habe ich mich doch selbst schon häufiger gegen sogenannte "exploration games" ausgesprochen. Gone Home ist hier aber die Ausnahme. Mit seinen detaillierten Umgebungen und einer unheilvollen Stimmung, bietet es ein Erlebnis, ganz wie es mir erhofft hatte und das eher an klassische Adventures, wie Myst erinnert. Nur ohne die überkomplizierten Rätsel.

























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